Am Ende dieses Monats wird es wieder gefeiert, und es wird dieses Mal ein ganz besonderes werden: das „Ächler Maifeuer“. Die Traditionsveranstaltung wurde gestern von der Kultusministerkonferenz offiziell zur Aufnahme in die Liste „Unesco-Weltkulturerbe“ vorgeschlagen. Die Chancen, dass das „Ächler Maifeuer“ tatsächlich aufgenommen wird, bezeichnete Jürgen Sauer – er ist im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Ansprechpartner der Deutschen Unesco-Kommission (DUK) – im Gespräch mit dem „Ächler Echo“ als „außerordentlich gut“.
„Das Maifeuer in Eichel ist ein hervorragendes Beispiel für gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste. Der Erfindergeist bei den alljährlichen Holzaktionen, das Ritual des Aufbaus der aus den benachbarten Wäldern geholten Stämme und der ,Feuer-Abend‘ selbst zeugen von der Fähigkeit der Eichler Fußballer, ihr Wissen und ihr Können, ihre Traditionen und soziale Formen zu pflegen und an nachkommende Generationen zu vermitteln. Es handelt sich also ganz im Sinne des immateriellen Welterbes um eine wichtige kulturelle Ressource.“
Da das „Ächler Maifeuer“ seit gestern ganz offiziell Kandidat zur Aufnahme in die Liste „Unesco-Weltkulturerbe“ geworden ist, wird am heutigen Mittwoch eine Delegation mit Jürgen Sauer und Renate Spegel – auch sie ist, wie Sauer, im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Ansprechpartnerin der Deutschen Unesco-Kommission – um 18.30 Uhr in Eichel erwartet, um am alten Sportheim des FCE die Bewerbungsplakette (siehe Bild) im Beisein der Spieler des Seniorenteams des FC Eichel anzubringen. Dazu sind alle Mitglieder des FC Eichel, aber auch die gesamte Bevölkerung willkommen.
Die Peking-Oper, der argentinische Tango und die französische Küche – sie alle stehen bereits – zusammen mit 312 weiteren kulturellen Ausdrucksformen – auf den Unesco-Listen des immateriellen Weltkulturerbes. Lange hat es gedauert, doch nun beteiligt sich auch Deutschland an dem Unesco-Projekt: 27 Traditionen und Wissensformen sind in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden – darunter eben auch das „Ächler Maifeuer“.
„Gesucht sind lebendige Traditionen, die als kreative Neuschöpfung entstanden, dann von Generation zu Generation weitergegeben und fortgeführt werden. Lebendiges immaterielles Kulturerbe ist immer auch durch Improvisation, Variation und Veränderung gekennzeichnet, insbesondere auch immer wieder durch kreative Anwendungen und Veränderungen durch junge Generationen“, heißt es in einem Arbeitspapier der Deutschen Unesco-Kommission (DUK). „Formen immateriellen Kulturerbes sind entscheidend von menschlichem Wissen und Können getragen. Sie sind Ausdruck von Kreativität und Erfindergeist, vermitteln Identität und Kontinuität. (…) Zu den Ausdrucksformen gehören etwa Tanz, Theater, Musik und mündliche Überlieferungen wie auch Bräuche, Handwerkskünste und Feste.“
Im Bereich „Feste“ hat das Expertengremium der Deutschen Unesco-Kommission (DUK) unter Vorsitz von Prof. Dr. Christoph Wulf von der Freien Universität Berlin auch das „Ächler Maifeuer“ entdeckt. Bei einer Fachtagung, die am 16. März in Berlin unter dem Titel „Wissen. Können. Weitergeben.“ stattgefunden hat und von der Deutschen Unesco-Kommission in Kooperation mit dem Deutschen Kulturrat und dem Deutschen Städtetag veranstaltet worden war, informierte Wulf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Nominierung des „Ächler Maifeuers“ als mögliches Weltkulturerbe.
„Das Maifeuer in Eichel ist ein besonders gelungener Ausdruck lebendiger Tradition und wird Jahr für Jahr mit großem Engagement von den Spielern der Seniorenmannschaft organisiert“, zitierte Wulf aus einem Schreiben des Expertengremiums über die seit 1982 jeweils am 30. April stattfindende Veranstaltung auf der Wiese neben dem Trainingsplatz des FC Eichel. „Die Bevölkerung des ganzen Stadtteils Eichel-Hofgarten und darüber hinaus besucht alljährlich dieses Fest und trägt damit zum Gelingen bei.“
Kriterien zur Aufnahme kultureller Ausdrucksformen in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes
Unter immateriellem Kulturerbe sind Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen.
Es wird in einem oder mehreren der folgenden Bereiche zum Ausdruck gebracht:
a) mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Trägerin des immateriellen Kulturerbes (z.B. traditionelle Gesänge, Sagen, Märchenerzählungen, Redensarten);
b) darstellende Künste (z.B. Musik, Tanz, Theaterformen);
c) gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste (z.B. Umzüge, Prozessionen, Karneval, Spiele);
d) Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum (z.B. traditionelle Heilverfahren, landwirtschaftliches Wissen);
e) traditionelle Handwerkstechniken.
Immaterielles Kulturerbe zeichnet sich durch seine Praxis und Anwendung in der Vergangenheit, Gegenwart und der (nahen) Zukunft aus, es wird von einer Generation an die nächste weitergegeben.
Es wird von Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet.
Immaterielles Kulturerbe vermittelt ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität gefördert wird.
Es steht mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen Entwicklung im Einklang.
Eine möglichst weitreichende Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen, die dieses Erbe schaffen, pflegen und weitergeben, muss gewährleistet werden und nachweisbar sein.
Unesco-Weltkulturerbe
(Immaterielles Kulturerbe)
So lief und läuft das Aufnahmeverfahren
Die erste Stufe des Auswahlverfahrens war die Ausschreibung. Hier konnten Gemeinschaften, Gruppen oder auch Einzelpersonen beim Kultusministerium ihres Bundeslandes eine Bewerbung für ihr nicht-materielles Kulturgut einreichen. Grundlage dafür ist ein bundesweit einheitlicher Katalog, der die Kriterien eines nicht-materiellen Kulturgutes regelt.
Nachdem der FC Eichel seine Bewerbungsunterlagen im Jubiläumsjahr 2014 fristgerecht eingereicht hatte, übermittelte das baden-württembergische Kultusministerium das „Ächler Maifeuer“ als Vorschlag an die Kultusministerkonferenz. Das Sekretariat der Kultusministerkonferenz erstellte aus den 32 länderspezifischen und zusätzlich länderübergreifenden Bewerbungen eine Vorschlagsliste, die an das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe der Deutschen Unesco-Kommission weitergeleitet wurde.
Dieses unabhängige Expertenkomitee der Unesco prüfte und bewertete die eingereichten Dossiers nach fachlichen Kriterien. Die Kultusministerkonferenz und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bestätigte abschließend die Auswahlempfehlungen des Expertenkomitees. Damit wurden die nicht-materiellen Kulturgüter in das bundesweite Verzeichnis aufgenommen. Neben dem „Ächler Maifeuer“ schaffte das auch noch der Vorschlag „Deutsche Brotkultur“.
Diese beiden in das bundesweite Verzeichnis aufgenommenen kulturellen Ausdrucksformen wurden für eine der drei internationalen Listen bei der Unesco nominiert.
Die abschließende staatliche Bestätigung der Auswahlempfehlungen des Expertenkomitees erfolgte durch die Kultusministerkonferenz im Benehmen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Stichtag war der 31. März 2015.
Die Unesco entscheidet bis zum Ende des Folgejahres, ob und welche der Nominierungen in welche Listen aufgenommen werden.